Der neue Energieminister führt das Uvek nun in bürgerlicher Hand. Gegner befürchten einen Stopp der Energiewende.
Eine ruhige Startphase gab es für den neuen Bundesrat nicht, Albert Rösti (55) musste in sein wichtigstes Dossier gleich kopfüber eintauchen. Die Energiekrise ist trotz der jüngsten Entspannung nicht überwunden. Als Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) traf er am WEF in Davos zwei Wochen nach seinem Antritt den deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck zu bilateralen Gesprächen. Es ging dabei um die Energieversorgung in diesem und im nächsten Winter.
Noch in derselben Woche trat Albert Rösti am Stromkongress in Bern auf: Die Schweiz brauche mehr einheimischen Strom, betonte er. Es müsse schneller gehen im Zubau von Wasserkraftwerken sowie in den Bereichen Sonnenenergie, Wärme aus dem Boden und Energie aus Biomasse. Auch gab er direkt den bürgerlichen Kurs durch, den er als Nachfolger von Simonetta Sommaruga im Uvek fahren wird: «Ich bin der Ansicht, dass diese Stromproduktionsanlagen von nationalem Interesse den Vorrang vor dem Landschaftsschutz brauchen.»
Rösti betonte, dass die Atomkraftwerke unbedingt noch 60 Jahre laufen sollen. Überraschend war besonders, dass er für die dafür nötigen Investitionen gar eine mögliche Hilfe in Aussicht stellte, die das Bundesamt für Energie prüfen werde.
Die Mitspieler
Albert Rösti war vielleicht nicht der Wunschkandidat des Zürcher SVP-Flügels. Allerdings sind selbst seine parteiinternen Kritiker froh, dass die SVP das Uvek besetzen konnte und die Energiestrategie nun direkter mitsteuert. Entscheidend dafür ist besonders auch das Zusammenspiel mit Parteikollege und Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Während dieser mit seinem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) kurzfristig eine drohende Strommangellage bekämpfen muss, ist Rösti langfristig für die Energieversorgung des Landes verantwortlich.
Eine wichtige Rolle, um das Uvek auf einen bürgerlichen Kurs umzuschwenken, wird seinem neuen Generalsekretär Yves Bichsel zukommen. «Unser Fokus liegt auf den kommenden acht bis zwölf Jahren», sagt Bichsel. Einen langen Atem und Hartnäckigkeit bringe er mit. Er gilt nicht unbedingt als harmoniebedürftig und hat bereits als Generalsekretär in der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern unter dem SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg unpopuläre Entscheide durchgesetzt. Bichsel wird zudem eine gewisse Nähe zu Christoph Blocher zugeschrieben.
Als Verbündeter gilt auch Swiss-Life-Präsident und Neo-SVP-Mann Rolf Dörig, mit dem zusammen Rösti dem Stiftungsrat der Stiftung für bürgerliche Politik angehört. Mit an Bord sind dort etwa auch alt Nationalrat Adrian Amstutz,Walter Frey und Thomas Matter. Gut verstehen soll sich Rösti auch mit Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder.
Die Familie
Der Berner Oberländer wuchs in Kandersteg auf, besuchte in Frutigen die Sekundarschule und in Thun das Gymnasium. Er war der Nachzügler einer Bergbauernfamilie und hat zwei ältere Brüder und eine Schwester. Heute lebt er im bernischen Uetendorf, hat zwei erwachsene Kinder und ist mit der Flugbegleiterin und Vitaltrainerin Theres verheiratet. Die beiden kennen sich bereits seit der Zeit am Gymnasium.
Die Karriere
Den Grundstein legte Rösti mit einem Agronomiestudium an der ETH Zürich. 1997 promovierte er zum Thema Agrarpolitik, und 2002 absolvierte er einen Master of Business Administration (MBA) an der University of Rochester. Beruflich startete er seine Karriere in der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern, wo er unter der damaligen SVP-Regierungsrätin Elisabeth Zölch 2003 zum Generalsekretär befördert wurde. Zölch gehörte 2008 zu den Gründungsmitgliedern der Berner BDP und gilt als eine wichtige Förderin – sie ermunterte Rösti zum Einstieg in die Politik. Noch heute pflegen sie einen engen Kontakt.
Der Start in die Politik war mit einer Niederlage verbunden: Rösti kandidierte 2010 für die Berner Kantonsregierung, scheiterte jedoch. Ein Jahr später gelang ihm dann der Sprung in den Nationalrat. Inzwischen amtete er zudem als Direktor der Schweizer Milchproduzenten. Doch so richtig passte es für ihn auf diesem Posten nicht, bereits 2013 verliess er den Verband.
Es war die Zeit, in der er seine Firma Büro Dr. Rösti GmbH gründete und in Bereichen wie Public Affairs, Projektmanagement und Beratung tätig war. 2016 löste er Toni Brunner als SVP-Präsident ab, ein Amt, das er für vier Jahre ausführte. Als politischer Mentor gilt der ehemalige SVP-Bundesrat Adolf Ogi, der wie Rösti aus Kandersteg stammt.
Die Gegenspieler
Sosehr Rösti als «gmögig» gilt, so sehr steht er auch im politischen Gegenwind. Die von Nils Epprecht geleitete Schweizerische Energiestiftung etwa befürchtet, dass Rösti die Energiewende stoppen könnte, und sammelt deshalb Geld, damit sie ihm «ganz genau auf die Finger schauen kann». In dieselbe Kerbe schlägt Grünen-Chef Balthasar Glättli, der bereits mit einem Rösti-Watchblog drohte. Ähnliche Bedenken hat auch SP-Co-Chefin Mattea Meyer, die kürzlich in einer Mitteilung schrieb, dass Rösti das Gegenteil dessen vertrete, was die SP in der Klimapolitik fordere. Widerstand gab es besonders im Vorfeld der Wahl aus der SVP selbst. Roger Köppel kritisierte in seiner Videosendung mehrfach Röstis Ämtersammlung und bezeichnete diesen als unwählbar.
Die Energie-Connection
So vernetzt wie Albert Rösti sind nur wenige Parlamentarier. Vor seiner Wahl in den Bundesrat kam der Berner Oberländer auf insgesamt 16 Mandate aus verschiedenen Branchen. Immer wieder betont wird seine konziliante Art, was ihm die Zusammenarbeit mit Politikern aus verschiedensten Richtungen erleichtert. So zählt etwa SP-Fraktionschef Roger Nordmann als Verbündeter – zumindest wenn es um den Ausbau von Wind und Wasserkraft geht.
Um erneuerbare Energien voranzutreiben, spannte Rösti jüngst auch mit dem Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder zusammen. Gemeinsam pflegen sie zudem eine Freundschaft mit Adolf Ogi und treffen sich regelmässig zu dritt. Als Präsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands hat Rösti aber auch mit Personen aus der Branche zu tun, so etwa mit Jörg Huwyler, der bei der Axpo die Sparte Hydroenergie leitet und im Verband als Vizepräsident amtet. Ein politischer Sparringspartner ist für Rösti sicherlich auch der Solothurner SVP-Nationalrat Christian Imark, der sich in jüngster Zeit im Energiedossier profilierte und 2021 das CO2-Gesetz als Leiter der Gegenkampagne fast im Alleingang abschoss.