Als Erstes kommt das Z weg: Eine Werkstatt an einem geheimen Ort in der Ukraine repariert beschädigte russische Panzer.
Der grösste Panzer-Lieferant der ukrainischen Streitkräfte ist nicht etwa Deutschland oder die USA, sondern Russland selbst. Ungewollt, selbstverständlich. In einem Lagerhaus an einem geheimen Ort in der Ukraine werden beschädigte Panzer des Feindes in ukrainisches Kriegsmaterial umgewandelt.
Die erste Aufgabe bestehe darin, das Z zu verdecken, mit dem die russischen Panzer beschriftet sind, erklärt der 44-jährige Anatoli zum «Guardian». «Wir wollen doch später nicht durch eigene Leute beschossen werden», meint der Mechaniker.
«Es lagen Arme und Beine drin»
Nicht alle der erbeuteten Panzer seien in einem tadellosen Zustand, gibt Anatoli zu. Dem britischen Reporter zeigt er einen T-72B3, an dem er gerade arbeite. Der Panzer war vor vier Wochen von der 54. Brigade aus der östlichen Region Donezk in die Anlage gebracht worden. «Er wurde am Turm getroffen», erklärt Anatoli. «Auch die Feuerleitanlage wurde beschädigt.»
Der Job des Mechanikers ist nicht immer einfach – aber inzwischen weiss er, was ihn erwartet, wenn ein beschädigtes Kampffahrzeug eintrifft. Er könne nicht sagen, ob russische Soldaten darin gestorben seien, aber er nehme es an. «Es lagen Arme und Beine drin. Eine Menge Blut», sagt er.
Den grössten Fund machten die ukrainische Truppen in Charkiw
Nach der Befreiung der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine im vergangenen Mai entdeckten die ukrainischen Truppen jede Menge «Schätze», wie der «Guardian» weiter schreibt. Die russischen Soldaten hatten den Rückzug angetreten und sogar Fahrzeuge in gutem Zustand zurückgelassen, sagt Bohdan Ostapchuk, der eine Wohltätigkeitsorganisation leitet, die die Panzersanierungen finanziert. «Es war, als würde man in einen grossen Laden laufen und sagen: ‹Ich nehme dieses und jenes›», sagt der 30-Jährige.
Weil der ukrainische Staat damit beschäftigt sei, die eigenen Panzer zu reparieren, habe man für dieses Projekt eine Stiftung ins Leben gerufen, die mit Privaten und Ingenieur-Unternehmen zusammenarbeite, erklärt Roman Sinicyn, Koordinator bei der Serhiy Prytula Foundation. Eine Vielzahl privater Unternehmen habe nach Kriegsbeginn ihre Tätigkeit aufgegeben, um sich an der Aufarbeitung von Kriegsmaterial zu beteiligen: Neben Panzern werden auch andere Fahrzeuge und Raketensysteme instand gesetzt.
Die Aktion werde durch Spenden finanziert. Die Prytula-Stiftung, eine der grössten Organisationen, finanziert sich per Crowdfunding. Ihre Methode zahlt sich aus: Bislang wurden sieben Panzer, ein Kommandofahrzeug, ein Hurricane-Raketensystem, ein Mehrfachraketensystem und eine Reihe gepanzerter Fahrzeuge wieder einsatzbereit gemacht – unter ukrainischer Flagge. Sie dienen unter anderem beim Kampf gegen Russland in Bachmut, Kramatorsk, Luhansk und Svatove.