In Schweizer Hotelzimmern kommt so einiges abhanden, was nicht niet- und nagelfest ist. Zur Anzeige kommt es dennoch nur in ganz seltenen Fällen.
Da konnte der 38-jährige Deutsche nicht widerstehen: Nach seiner Übernachtung in einem Schlosshotel im Kanton Bern liess er kurzerhand die 240 Franken teure Bettwäsche mitgehen. Gelohnt hat sich die Aktion für ihn nicht: Wegen geringfügigen Diebstahls und weiteren Delikten (er schlug etwa die Holztür seines Zimmers ein) musste er eine Busse und Gebühren in Höhe von 1400 Franken bezahlen, wie dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland zu entnehmen ist.
Der Bettwäsche-Klau ist kein Einzelfall – immer wieder haben Hoteliers Schwund beim Zimmerinventar zu beklagen. Meist handelt es sich um kleinere Dinge, die sich gut im Koffer verstauen lassen, wie eine Umfrage unter verschiedenen Schweizer Hotels zeigt. Zu den beliebtesten «Souvenirs» gehören demnach Hand- und Gesichtstücher, Bademäntel, Kleiderbügel, Haartrockner, Schuhlöffel, Kaffeekapseln oder Aschenbecher. Laut Lars Güggi, Direktor des Viersterne-Hotels Monopol in Luzern, verschwinden Artikel zudem häufiger, wenn sie mit dem Hotellogo gebrandet sind.
«Diebstahl als Kavaliersdelikt angesehen»
Vor manchen Touristen und Touristinnen und Geschäftsreisenden sind aber auch grössere und sperrigere Ausstattungsgegenstände nicht sicher. Im Hotel Hirschen in Wildhaus SG reisten mit den Gästen auch schon das Hirschgeweih und die Zimmerlampen ab. Andernorts wurde der Diebstahl rechtzeitig bemerkt: «Es wurde schon versucht, Bilder und wertvolle Teppiche zu entwenden», weiss Güggi zu berichten. Die Bilder in den Gängen seien deshalb mit Schrauben montiert worden. Dasselbe gilt für das Altstadt Hotel in Zürich, wie Gastgeber Mattias Larsson erklärt: «Die Kunst an den Wänden ist bei uns gesichert und kann nicht so schnell abgehängt werden.» Beide Hoteliers geben zudem an, Kleiderbügel zu verwenden, die fest an der Kleiderstange verankert sind. Die Stange zu demontieren, um ein paar Kleiderbügel zu klauen – das ist selbst dem dreistesten Langfinger zu blöd.
Klar ist: Was sich auf den Zimmern befindet, ist grundsätzlich Eigentum des Hotels – und die Mitnahme von Tüchern oder Mänteln darum rechtlich gesehen Diebstahl. Doch davon lassen sich viele nicht abschrecken. «Der Diebstahl von Kleinmaterial wird definitiv als Kavaliersdelikt angesehen», konstatiert Monopol-Manager Güggi. Den Hotelgästen sei leider nicht bewusst, dass dadurch der Druck auf die Preise massiv steige. Andere hingegen werden laut Kevin Kunz, CEO des Berner Kursaals, unfreiwillig zu Dieben: «Wir denken, manche Gäste sind überzeugt, dass mit dem Zimmerpreis eine Mitnahme gewisser Sachen abgedeckt ist.»
«Beweislage meist dünn»
Auch wenn sich Gäste mit der Mitnahme von Hotelinventar strafbar machen: Bei Gegenständen von eher geringem Wert drücken viele Hotels ein Auge zu. «Der Gast ist meist schon abgereist und die Beweislage dünn, zudem würde der Diebstahl ohnehin verneint», sagt Larrson. Kunz sieht das ähnlich: Welcher Gast etwas mitgenommen habe, sei letztlich schwer zu belegen, da nicht auszuschliessen sei, dass bestimmte Artikel nicht korrekt nachgefüllt wurden. «Man muss sich 100 Prozent sicher sein, bevor ein Gast mit diesem Verdacht konfrontiert wird», hält Kunz fest. Erst bei schwerwiegenderen Fällen fordern Hotels ihre Gäste zur Zahlung des Schadens auf oder – falls keine Reaktion erfolgt – erstatten Anzeige.
In den meisten Häusern bleiben Diebstähle letztlich aber ein Randphänomen – meist liegt der Schaden laut eigenen Angaben im tiefen vierstelligen Bereich und ist bereits einkalkuliert. Zuweilen kehren gar verloren geglaubte Gegenstände unverhofft zurück. Im Briefkasten des Berner Hotel Bären etwa landen des Öfteren Zutrittskarten, die Gäste bei ihrer Abreise vergessen hatten abzugeben, wie Pächter Philipp Näpflin erzählt. Eine erfreuliche Episode hat auch Valentin Bot parat, Hoteldirektor in der Kartause in Ittingen BE. Dort entwendete ein Gast kürzlich ein Duftkissen, weil er mit diesem so herrlich geschlafen hatte. «Nachdem er herausgefunden hatte, was der Inhalt ist und er sich sein eigenes Kissen hatte anfertigen lassen, sendete er unser Kissen mit einem entschuldigenden Brief und einer Schachtel Pralinen zurück.»