Am Samstagabend suchte die Kantonspolizei Wallis nach einem vermissten Ziegenhirten in St. Niklaus. Dieser konnte nur noch tot geborgen werden. Nun wird Kritik laut: Die Polizei habe die Personenspürhunde zu spät aufgeboten – obwohl in der Gemeinde selbst welche leben.
Traurige Gewissheit im Oberwallis: Seit Samstagabend wurde Ziegenhirt Claude F.* (†53) von der Polizei in St. Niklaus VS gesucht. Er wurde als vermisst gemeldet. Am Montagnachmittag vermeldete die Polizei, dass der Vermisste bei einem erneuten Suchflug am Morgen in sehr steilem Gelände tot aufgefunden wurde.
Nur: Hat die Polizei alles in ihrer Macht Stehende getan, um den Mann rechtzeitig zu finden? Daniela Pollinger (50), SVP-Suppleantin im Grossen Rat, bezweifelt das. Denn laut Mitteilung haben die Polizei am Samstag erst um 21.35 Uhr Suchhunde eingesetzt – knapp zwei Stunden nach Eingang der Vermisstenmeldung.
«Dieses Vorgehen ergibt überhaupt keinen Sinn»
In St. Niklaus gibt es allerdings zwei erfahrene Hundeführer, die über ausgebildete Suchhunde verfügen. Diese einheimischen Hundeführer seien laut Pollinger, die auch als Gemeinderätin von St. Niklaus amtet, am Samstagabend nicht aufgeboten worden, obwohl die Einsatzleitung vor Ort darum gebeten hätte.
Bei den Hunden habe es sich «ausserkantonale, ortsunkundige Suchhunde» gehandelt. Zudem seien die Hunde nicht kurz vor 22 Uhr, sondern «leider viel später» im Einsatz gewesen. Auf Facebook spricht Pollinger von einem «Machtkampf der Walliser Kantonspolizei».
Auf Blick-Nachfrage erklärt Pollinger, dass die Polizei rechtlich stets korrekt gehandelt habe. «Wenn man aber gesunden Menschenverstand anwendet, ergibt dieses Vorgehen überhaupt keinen Sinn.» Bei einer Vermisstensuche komme es auf jede Minute an. «Wenn man einen der ortskundigen Hundeführer gleich von Anfang an aufgeboten hätte, hätte man schon zwei Stunden früher mit der Suche anfangen können», sagt Pollinger. Dass dadurch die Rettung von Menschenleben gefährdet sein könne, findet sie tragisch.
Eine Polizeisprecherin widerspricht der Darstellung, dass Suchhunde aus einem anderen Kanton aufgeboten worden seien. Es seien Suchhunde der Kantonspolizei gewesen. Der Kanton verfüge «seit Jahren über ein bewährtes Konzept für den Einsatz bei der Personensuche».
Hundefrage erreicht Staatsrat
Der Knatsch rund um die Suchhunde hat einen ernsten Hintergrund. Wie der «Walliser Bote» vergangenen Sommer berichtete, entschied das Direktorium der Kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO) sowie die Kantonspolizei, bei Vermisstenfällen Spürhunde aus anderen Kantonen aufzubieten. Damit lösten die Behörden die Hundeführer des kantonalen Suchhunde-Dispositivs durch Polizei-Hundeführer aus anderen Kantonen ab.
Im Juni 2022 reichte Pollinger deswegen gemeinsam mit Parteikollegen der Oberwalliser SVP ein dringliches Postulat im Kantonsparlament ein. Dabei forderte sie eine Rückkehr zur alten Praxis: «Im Ernstfall bleibt keine Zeit, auf Spürhunde anderer Kantone zurückzugreifen», heisst es im Postulat. Der politische Vorstoss wurde im Grossen Rat angenommen.
Geschehen ist aber bislang noch nichts. «Leider hat der Staatsrat seit der Annahme des Postulats noch nicht gehandelt», sagt Pollinger. «Es sollte inzwischen allen klar sein, dass die Polizei bei der Vermisstensuche auf die ortskundigen Hundeführer setzen muss.» Die Polizeisprecherin betont indes, man verfüge über eine eigene Hundebrigade, die von professionellen Hundeführern geleitet werde. Das sei auch in St. Niklaus geschehen.
Ob Ziegenhirt Claude F. bei einem frühzeitigen Aufgebot hätte gerettet werden können, ist ungewiss. Die Walliser Staatsanwaltschaft hat, wie in solchen Todesfällen üblich, ein Verfahren eingeleitet.
* Name geändert