Ebru und Herbert Hauser überlebten das Erdbeben in der Türkei von 1999. Die jüngste Katastrophe nimmt das Paar mit: «Wir können genau nachfühlen, wie es den Leuten geht.»
Die Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion haben bis zum Dienstagnachmittag rund 6000 Menschenleben gekostet. Mehr als 26’000 Menschen wurden verletzt, Tausende werden weiterhin vermisst. Bereits im Jahr 1999 wurde die Türkei von einem schweren Erdbeben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit erschüttert. Herbert und Ebru Hauser aus St. Gallen waren damals in Adapazari, nur 50 Kilometer von Izmit entfernt.
Ebru und Herbert Hauser, was ist damals passiert?
Ebru: Wir waren am Geburtstag der Tochter meiner Cousine. Kurz vor drei Uhr ging mein Mann nach Hause. 20 Minuten später bebte die Erde. Das vierstöckige Gebäude, in dem er schon geschlafen hatte, fiel zusammen. An diesem Tag habe ich meine Eltern, meine Tante und meinen Onkel verloren.
Herbert: Ich spürte noch das Erdbeben, danach fiel ich in Ohnmacht. Als ich erwachte, war ich unter Steinen begraben. Nach rund sieben Stunden konnte ich mich aus eigenen Kräften aus den Trümmern befreien. Ich hatte einen offenen Oberarmbruch am rechten Arm.
Wie haben Sie die Stunden und Tage nach dem Erdbeben erlebt?
Herbert: Nach dem Erdbeben wurde ich Zeuge, wie Leute um mich herum in den Trümmern starben. Ein Familienvater hat in der Nähe mit einer Waffe Schüsse abgegeben, weil er seine Familie verloren hatte. Die Hilflosigkeit, Verzweiflung und Trauer waren überall zu spüren. Nachdem ich, meine Frau und meine Tochter wieder zusammengefunden hatten, haben wir eine Nacht im Auto verbracht. Danach hat die Schweizerische Botschaft unsere Rückreise in die Schweiz organisiert.
Ebru: Auch in der Schweiz liessen uns die Erfahrungen nie los. In den ersten sechs Monaten konnten wir vor drei Uhr, dem Zeitpunkt, als das Erdbeben war, nie schlafen gehen. Wir hatten Angst und standen immer noch unter Schock. Jede Nacht gingen wir deswegen mit dem Kinderwagen spazieren bis nach drei Uhr.
Wie erleben Sie die aktuelle Katastrophe?
Ebru: Wir können kaum Nachrichten schauen. Wir weinen ständig. Für uns ist das alles sehr schwierig. Wir können genau nachfühlen, wie es den Leuten im Katastrophengebiet geht. Beim Betrachten der Bilder kommt alles wieder hoch, was wir über die Jahre versucht haben zu verarbeiten.
Herbert: Seit dem Erdbeben habe ich psychische Probleme. Über die Jahre wurden diese immer schlimmer und haben mich auch den Job gekostet. Die jüngsten Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion haben das weiter verstärkt. Seit Jahren kann ich nur noch mithilfe von Medikamenten schlafen. Nun nützen auch diese nichts mehr – ich lag die ganze letzte Nacht wach.