Das Marmorrelief auf einem altägyptischem Grab lässt keine Fragen offen, könnte man meinen. Zu sehen sind darauf zwei Männer, die beschnitten werden. Doch nun meint ein Forscher, etwas bislang Unentdecktes entdeckt zu haben.
Die alten Ägypter, ihre Pharaonen und Bauten interessieren noch immer. So machte eine Zusammenarbeit von Forschenden der Harvard University und dem ägyptischen Ministerium für Tourismus unlängst 360-Grad-Erkundungen der Cheops-Pyramide möglich.
Aber auch Forschungsbefunde machen immer wieder von sich reden. Dabei müssen die untersuchten Entdeckungen noch nicht einmal neu sein: Ein 4300 Jahre altes Marmorrelief, das im Jahr 1897 in einem altägyptischen Grab (siehe Box) entdeckt und schon mehrfach wissenschaftlich begutachtet wurde, beschäftigt Forschende nach wie vor. So berichtet Mohammad Hazem I. Ahmad Sabry von der Medizinischen Fakultät im ägyptischen Alexandria in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals «Anesthesiology», Neues entdeckt zu haben.
Zwei Penis-Operationen, zwei verschiedene Reaktionen
Das Relief ist zweigeteilt und zeigt der bisherigen Deutung nach zwei Penis-Operationen. Die abgebildeten Szenen gelten als die früheste Darstellung von Penis-Eingriffen. Links zu sehen ist ein Mann, der von einem anderen Mann festgehalten wird, während ein dritter, Hand am Genital des ersten anlegt und sagt: «Haltet ihn still. Lasst ihn nicht ohnmächtig werden.» So steht es in den Hieroglyphen.
Auf der rechten Seite sind zwei Männer in einer ganz ähnlichen Arzt-Patienten-Situation zu sehen: Auch hier hantiert ein Mann am Penis eines anderen. Der Patient bittet den Schriftzeichen nach den Behandler, er solle – vermutlich die Vorhaut, wie Derstandard.at schreibt – «wirklich gründlich abtrennen.» Dieser verspricht «behutsam vorzugehen.» Die Szenen zeigen demnach Beschneidungen an zwei erwachsenen Männern. Doch warum verhalten die sich so unterschiedlich?
Szenen neu interpretiert
Die beiden Darstellungen werden unterschiedlich interpretiert. Der einen Lesart nach, sind die beiden Patienten unterschiedlich tapfer. Einer anderen zufolge, geht es auf der linken Seite des Reliefs nicht um eine Beschneidung, sondern um die chirurgische Behandlung einer sogenannten Paraphimose, einer äusserst schmerzhaften Schwellung der Eichel und der zurückgezogenen Vorhaut bei Vorhautverengungen (siehe Box). Auf der rechten Seite sei dagegen ein vorbeugender Eingriff zu sehen. Der Patient habe im Gegensatz zu dem anderen noch keine Schmerzen.
Ahmad-Sabry erkennt in dem Relief nun noch etwas anderes: Er geht davon aus, dass die Szenen zwei verschiedene Techniken zur Durchführung einer Beschneidung darstellen: Während der Patient auf der linken Seite die Prozedur bei vollem Bewusstsein über sich ergehen lassen muss, könnte der Patient auf der rechten Seite vor der Operation ein Schmerz- oder Betäubungsmittel erhalten haben, so der Forscher.
Betäubt mit «Stein von Memphis»?
«Wir haben keine Informationen über die Art des Stoffes, der verwendet wurde, um zu verhindern, dass der Beschnittene zu kämpfen hat», so Ahmad-Sabry in der Studie. Aber das Relief könnte Beweis dafür sein, dass die alten Ägypter womöglich Kenntnisse lokaler Betäubungsmittel hatten.
Tatsächlich gab es schon vor Tausenden Jahren Möglichkeiten der Betäubung. So berichtet etwa der römische Gelehrte Plinius der Ältere in seinem Werk «Naturalis Historia» von einem Mandragorawein, der auf zweierlei Weise eingesetzt werden könne: Wolle man jemanden in Tiefschlaf versetzten, reiche es, den Wein einzuatmen. Wolle man aber auch Schmerzen ausschalten, so müsse er getrunken werden. Für eine lokale Betäubung nennt er den sogenannten «Stein von Memphis» – eine Paste aus Marmorstaub und Essig, die auf die Haut aufgestrichen diese unempfindlich gegen Schmerzen machen sollte – sowie die Asche von Krokodilshaut.