Das Kiffen ist zur Biederkeit verkommen


February 11, 2023

Amsterdam verbietet ab Mai das Rauchen von Hasch und Marihuana in der Innenstadt. Dabei  inhalieren es die Leute längst in ganz Europa. Ein illegales Rauschmittel ist zum Konsumgut geworden.

«Please smoke your joint outside this building», konnte man früher in Amsterdam lesen, es stand am Eingang von Firmen, Büros und Banken. Und die Kifferinnen und Kiffer, die von ganz Europa in der niederländischen Hauptstadt eingefallen waren, fanden das super.

Denn outside the buildings war Kiffen erlaubt. In den Coffee-Shops der Stadt konnte man auch als Ausländer oder Ausländerin hochpotentes Marihuana und Haschisch kaufen. Und es dann draussen rauchen – auf den Bänken, in den Parks, auf der Strasse, entlang der Kanäle.

Damit ist jetzt Schluss, zumindest in der Innenstadt und den Beizen von Amsterdam mit seinen 900’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Ab Mai soll das Kiffen dort verboten werden. Das öffentliche Alkoholtrinken ist es jetzt schon. Die Stadtverwaltung kündigte das Verbot unlängst an. Die Coffeeshops bleiben vom Verbot ausgeschlossen. Man darf das Zeug also weiterhin kaufen und zuhause rauchen. Aber nicht mehr auf der Strasse.

Gegen den Übertourismus

Mit ihrem «Blowerverbod» wollen die Behörden mehrere Missstände korrigieren. Erstens wehrt sich die Stadt, eine der schönsten und beliebtesten von Europa, gegen den Übertourismus, den sie während Jahrzehnten anzog und dadurch ermöglichte. Das Phänomen ist in allen beliebten Städten der Welt bekannt und gefürchtet, weil der Tourismus manchmal mehr Schäden anrichtet, als es Nutzen bringt – Lärm, Dreck, Aufdringlichkeit, Belästigung für die Einheimischen. Alleine im laufenden Jahr erwartet Amsterdam mehr als 18 Millionen Gäste, also das Zwanzigfache ihrer eigenen Bevölkerung.

«Das Kiffen ist, gustatorisch gesprochen, zum Riz Casimir des 21. Jahrhundert geworden: Biederkeit mit dem Geschmack der Exotik.»

Zweitens sind die Kiffer der Sechziger und Siebziger kein schöner Anblick . Der baufällige Auftritt der alt gewordenen Jungen von früher, die auch die Altersheime mit ihrem Stoff parfümieren, hat mit dazu geführt, dass das Kiffen vom coolen Verbotsrausch zu einer neuen Biederkeit mutiert ist. Auch in der Schweiz und in anderen europäischen Ländern, wo die Leute unbehelligt kiffen, wo immer ihnen danach ist – an Konzerten, in Parks und ja, auch auf der Strasse. Das Kiffen von heute ist, gustatorisch gesprochen der Riz Casimir des 21. Jahrhundert geworden: Biederkeit mit dem Geschmack der Exotik.

Drittens ist der Konsum von hochpotentem Gras oder Hasch nicht so harmlos, wie viele während Jahrzehnten dachten. Zwar ist noch keiner an den Konsumfolgen gestorben. Das ist bei legalen Drogen wie Alkohol, Tabak und Opiaten anders; mit ein Grund für die Absurdität der internationalen Drogenpolitik.

Aber Marihuana wird mittlerweile in einer dermassen hohen Dosierung gezüchtet, dass vor allem Junge, deren Gehirn noch am Wachsen ist, diesem schaden könnten. Ob der Stoff Psychosen erzeugt oder die latente Bereitschaft dazu verstärkt, bleibt umstritten. Aber man würde keinem labilen Menschen empfehlen, sich mit Haschisch zusätzlich zu destabilisieren.

Kein permanenter Karneval

Viertens kämpft Amsterdam ja nicht gegen die Substanz, sondern gegen den Lärm, den ihre Nutzerinnen und Nutzer in den Strassen veranstalten; gerade nachts, wo es die Bewohner am Schlafen hindert. Auch in Zürich wehren sich viele gegen den Lärm, der selbst in ihren Wohnquartieren veranstaltet wird – von Fussballfans, Betrunkenen, Bekifften und anderen, die keine andere Wahrnehmung registrieren als ihre eigene.

Selbstverständlich gehört der Konsum von Haschisch, Marihuana und anderen psychedelischen Substanzen legalisiert. Ebenso selbstverständlich gilt es zu respektieren, dass auch eine grosse Stadt keine Unterlage sein kann für einen permanenten Karneval.

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