Auch in der Schweiz ist ein grosses Erdbeben grundsätzlich möglich. Ärzte kritisieren die aktuelle politische Handhabung eines möglichen Krisenszenarios.
Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien, welches nach aktuellem Stand mindestens 28’000 Tote verzeichnete, warnt eine Gruppe von Ärzten vor Katastrophenszenarien in der Schweiz. Und zwar sei das Land nicht auf solche vorbereitet. «Bei Ereignissen mit mehr als 25 Schwerverletzten haben wir ein Problem», zitiert die «SonntagsZeitung» Mathias Zürcher, leitender Arzt für Rettungs- und Katastrophenmedizin am Universitätsspital Basel.
Es gebe es zwar Kapazitäten, diese würden aber nicht in allen Bereichen ausreichen. Dazu komme die Verteilung über das ganze Land. Es fehle die Übersicht. Da auch in der Schweiz ein grosses Erdbeben möglich ist, kritisiert die Gruppe von Ärzten auch die Politik, die nach deren Meinung dem Schweizer Rettungswesen und der Akutmedizin nicht die nötige Beachtung schenke. Gemäss einer Risikoanalyse des Bundes könnte ein solches Erdbeben einmal in tausend Jahren auftreten, schreibt die «SonntagsZeitung» weiter. Doch bei 1’500 Toten und 5’000 Schwerverletzten käme es zu «extremen Engpässen, wie es im Papier des Bundesamts für Bevölkerungsschutz heisse.
Zwar gäbe es einen koordinierten Sanitätsdienst (KSD), der laut Joseph Osterwalder, emeritierter Professor für Notfallmedizin, jedoch schlecht aufgestellt und nicht effektiv koordiniert sei. Mathias Zürcher, leitender Arzt für Rettungs- und Katastrophenmedizin am Universitätsspital Basel, kritisiert auch das Fehlen einer nationalen Stelle, die im Krisenfall koordiniert und auch weisungsbefugt ist. Die Gesundheit der Menschen sei gemäss Verfassung auch Bundesaufgabe, im Denken der politischen Behörden werde sie aber vernachlässigt.
Auch auf digitaler Ebene fehlt es
Die «NZZaS» fragt zudem, wieso es keine Notfall-App gleich der Türkei gibt, mit welcher die Menschen im Notfall Hilfe per Knopfdruck anfordern können – auch wenn der Akku leer und das Netz überlastet sei. Dabei schreibe das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) im «Gefährdungsszenario Erdbeben» von 2020 selbst, dass es im Katastrophenfall zu Unterbrüchen der Informations- und Kommunikationskanäle komme.
Der Bund überarbeite derzeit seine Erdbebenvorsorge. Mit einem Risikomodell soll im Ernstfall abgeschätzt werden können, wo mit wie vielen Toten, Verletzten, Obdachlosen und eingestürzten Gebäuden zu rechnen sei. Ein Beispiel: Bei einem Beben der Stärke 6,5 gäbe es in Zürich rund 753 Toten und 5493 Verletzte. Rund 76’524 Menschen würden obdachlos. Jeder fünfte Bewohner von Zürich würde sein Dach über dem Kopf verlieren.