Der Nidwaldner ist längst unter den besten einheimischen Athleten seit Einführung des Weltcups 1967. Nach seinem zweiten WM-Gold bewegt er sich in neuen Sphären. Das ist unser Ranking – nach Erfolgen.
Es ist der drittletzte Tag der WM, und Marco Odermatt greift noch einmal nach den Sternen. Nach seinem Coup in der Abfahrt am Sonntag, in der er sich zum Weltmeister der Königsdisziplin krönte, hält er auch den Druck aus, der in seiner Paradedisziplin Riesenslalom auf ihm lastet. Er ist jetzt Weltmeister und Olympiasieger in der Basisdisziplin des alpinen Skisports. Im Ranking der erfolgreichsten Schweizer Skifahrer steht ihm damit nur noch eine Legende vor der Sonne.
Pirmin Zurbriggen
Als er im Weltcup zu seinem ersten Sieg rast, ist Pirmin Zurbriggen 19, als Jungspund schon Sieger der Kombination von Wengen. Es ist der Startschuss zu einem fulminanten Feuerwerk, das der Walliser zündet und zum Star der Szene macht. Der einzigartige Gefühlsfahrer aus Saas-Almagell gewinnt 40-mal im Weltcup, viermal die Gesamtwertung, elf kleine Kugeln für Disziplinensiege, viermal WM-Gold, wird Olympiasieger. Zurbriggen ist in einer Mannschaft mit Charakterköpfen wie Peter Müller der Strahlemann in der Öffentlichkeit – und innerhalb des Gefüges doch der Egoist, der er sein muss für all die Erfolge. Im christlichen Glauben findet er halt, Erwartungshaltungen und Last gibt er ab an eine höhere Macht.
Als Zurbriggen 1985 in Kitzbühel beim Zielsprung eine Meniskusverletzung erleidet, bibbert eine ganze Skination mit. Zurbriggen wird verfolgt bis in den Operationssaal, der Wettlauf um die rechtzeitige Rückkehr für die WM in Bormio ist ein Volksereignis. Als der Walliser dann zweimal Gold und einmal Silber gewinnt, ist endgültig ein Held geboren. Zurbriggen ist erst 27, als er zurücktritt, körperlich und mental ausgelaugt. Und doch denkt er manchmal darüber nach, was er noch alles hätte gewinnen können, hätte er weitergemacht.
Marco Odermatt
Er ist 25, mitten in der Blüte seines Schaffens. Und doch hat Marco Odermatt schon erreicht, was nur ganz wenigen Skifahrern vorbehalten ist. Er ist Gesamtweltcupsieger und in dieser Saison auf bestem Weg zu seinem zweiten Triumph. Er war im letzten Winter der beste Riesenslalomfahrer. Er ist Olympiasieger im Riesenslalom, Weltmeister in der Abfahrt und nun auch noch Weltmeister im Riesenslalom.
19 Mal schon hat er gewonnen im Weltcup, bei sagenhaften 38 Prozent seiner Renneinsätze landete er auf dem Podest – oder bei 44 von 116 Wettkämpfen auf höchster Stufe. Und das in Riesenslalom, Super-G und Abfahrt. Wenn es so weiter geht, wird der Nidwaldner eher früher als später sogar Pirmin Zurbriggen gefährlich, was den erfolgreichsten Schweizer Skifahrer der Geschichte betrifft.
Michael von Grünigen
Er ist der Stilist unter den Stilisten, keiner wedelt schöner durch die Tore als der Berner Oberländer. Von Grünigen, der schon als Neunjähriger Vollwaise ist, wird zum Mister Riesenslalom, er holt 1997 und 2001 WM-Gold, sichert sich dazwischen in Nagano Olympia-Bronze. Vier kleine Kristallkugeln und 23 Rennen gewinnt er in der Basisdisziplin, einzig Ingemar Stenmark, Marcel Hirscher und Ted Ligety reüssierten häufiger.
2003 hört der Schönrieder als Weltnummer 1 im Riesenslalom auf, noch immer ist er für Sponsoren als Berater sowie im Marketing tätig und führt Skitage für Firmen und einstige Fans durch. Sein Sohn Noel fährt als Slalomspezialist regelmässig im Weltcup.
Beat Feuz
Er gewinnt, was ein Abfahrer gewinnen kann: Olympiasieger und Weltmeister ist Feuz geworden, er siegt in Wengen und Kitzbühel, entscheidet viermal in Serie den Disziplinenweltcup für sich. 47-mal steht der Emmentaler auf einem Abfahrtspodest, was Rekord bedeutet.
Feuz, der im Weiler Bumbach auf dem vom Vater betriebenen Lift das Skifahren lernte, gilt als Junior als schlampiges Genie. Nach Platz 2 im Gesamtweltcup 2012 droht seine Karriere wegen einer schlimmen Knieverletzung zu enden. Nach langer Pause und insgesamt elf Operationen kehrt er zurück und feiert seine grössten Erfolge. Vor seinem Rücktritt im Januar hilft er, Marco Odermatt mit den Abfahrten dieser Welt vertraut zu machen und versorgt ihn mit Tipps. Feuz (16 Weltcupsiege, 6 Medaillen an Grossanlässen) ist Vater zweier Töchter und lebt in Österreich.
Didier Cuche
Didier Cuche bringt die Kommentatoren zum Toben, sorgt für Hühnerhautmomente – und das in einem Alter, in dem andere Skifahrer längst im Ruhestand sind. 2008 sind zehn Jahre vergangen seit seinem ersten Sieg in Kitzbühel, da gewinnt der Neuenburger mit 33 auf der schwierigsten Abfahrtspiste der Welt erneut. 2010, 2011, 2012, immer ist er der Schnellste, fünfmal gewinnt er es, es ist ein Rekord. Cuche: Der König von Kitzbühel.
Unvergessen ist seine Fahrt von 2011, bei der er einer Kugel ähnlich Richtung Ziel schiesst, die Stöcke schon während der Flüge unter den Armen eingeklemmt. Für viele gilt sie bis heute als beste Fahrt, die es je gab auf der Streif. Nach seinen Triumphen vollführt Cuche mit seinem Ski den Propeller-Trick, fängt ihn nach einer Umdrehung wieder auf, es ist sein Markenzeichen.
Cuche gewinnt im Weltcup 21-mal, holt sechs kleine Kugeln für Disziplinensiege in Abfahrt, Super-G und Riesenslalom, gewinnt 1998 in Nagano im Super-G Olympia-Silber und wird 2009 in Val-d’Isère Super-G-Weltmeister. Drei Jahre später spürt er nach der Lauberhornabfahrt, dass es das war mit seiner Karriere. In der Folgewoche verkündet er vor dem Wochenende in Kitzbühel seinen Rücktritt – und rast noch einmal zum Triumph.
Peter Müller
Wahrscheinlich würde sich Peter Müller selbst auf Platz 1 dieser Liste setzen. Er ist so schnell wie streitbar, 19 Abfahrten gewinnt er bis zum Rücktritt 1992, einzig der Österreicher Franz Klammer war noch erfolgreicher.
Müller ist unbequem und auch mal ungehobelt, er hat keine Freunde im Team und wird von den Kollegen schikaniert. Einst sagte er: «Für die anderen waren meine Siege fast wie die Todesstrafe. Ich war der Zürcher, der den Berglern um die Ohren fuhr. Das haben sie nicht verkraftet.»
Müller kann nicht verlieren, er dreht schon durch, wenn er beim Joggen nicht der Schnellste ist. Als Reizfigur stachelt er die anderen Schweizer an, er legt die Latte im Training derart hoch, dass das Team bald aus lauter Siegfahrern besteht. Zwischen 1984 und 1989 gewinnt er an fünf Grossanlässen in Folge eine Abfahrts-Medaille, 1987 in Crans-Montana wird er vor Dauerrivale Zurbriggen Weltmeister. Knapp drei Jahre später verletzt er sich in Gröden schwer am Knie. Er kommt nochmals zurück, fährt den Besten aber hinterher. Als Trainer der Schweizer Frauen scheitert er später wie mit seiner Immobilienfirma, er verdient aber anderweitig gutes Geld und führt mittlerweile erfolgreich ein Sportgeschäft in Einsiedeln.
Carlo Janka
Wer behauptet, Carlo Janka habe einen Lauf, der untertreibt im Winter 2009/10 mächtig. Als Riesenslalomweltmeister und Bronze-Gewinner in der Abfahrt hat er die Saison in Angriff genommen, da wird alles noch etwas verrückter im Leben des stillen Bündners. Zehnmal steht er auf dem Podest, in Beaver Creek gewinnt er Anfang Dezember innerhalb von drei Tagen drei Rennen in drei Disziplinen – und das nach einer in der Vorbereitung erlittenen Viruserkrankung. In Wengen triumphiert er in der Lauberhornabfahrt, in Vancouver krönt er sich zum Olympiasieger im Riesenslalom und gewinnt den Gesamtweltcup.
Doch Jankas Höhenflug wird im Folgewinter gebremst durch Herzrhythmusstörungen, viermal steht er noch auf dem Podest, ehe er sich einer Herzoperation unterzieht und zehn Tage danach den Riesenslalom von Kranjska Gora gewinnt. Es bleibt sein letzter Sieg in dieser Disziplin. Als anschliessend Riesenslalomski mit grösseren Radien kommen, plagen ihn wegen der stärkeren Belastung in den Kurven Rückenprobleme. Janka konzentriert sich auf Speed-Rennen, feiert noch ein paar Podestplätze, Erfolge wie davor bleiben ihm aber verwehrt. Im vergangenen Jahr gibt er in Wengen den Rücktritt bekannt.
Franz Heinzer
Nachdem er 1987 in Crans-Montana zum dritten Mal in Serie WM-Vierter in der Abfahrt geworden ist, will Heinzer den Bettel hinschmeissen und aufhören. Er macht weiter, schafft zwei Jahre später aber nicht mal die teaminterne Qualifikation. Doch dann startet der Schwyzer durch, er triumphiert in Wengen und dreimal in Kitzbühel, wird 1991 doch noch Abfahrtsweltmeister. Anfang der 90er-Jahre holt er vier kleine Kristallkugeln (eine davon im Super-G), 1994 hört er nach 17 Weltcupsiegen auf.
Immer verbunden bleiben wird der Name Heinzer indes mit einem monumentalen Malheur: Seine Olympia-Abfahrt 1994 in Lillehammer dauert keine zwei Sekunden, die Bilder seines Starts respektive des rechten Ski, den er wegen eines Bindungsbruchs sogleich verliert, gehen um die Sportwelt. Mittlerweile 60, arbeitet Heinzer als Trainer im Schweizer Europacupteam.
Bernhard Russi
Bernhard Russi ist schon immer mehr als ein Skirennfahrer. Er tritt Anfang der 70er-Jahre in einem Moment auf die Bühne, in dem die Ski-Schweiz nach Erfolg lechzt. Da kommt dieser charismatische Jüngling aus Andermatt gerade recht. Russi wird in Gröden als 21-Jähriger Weltmeister in der Abfahrt, zwei Jahre danach in Sapporo 1972 Olympiasieger. Er ist der Sonnyboy des Skisports, Russi gefällt dieser Ruf, er pflegt ihn. In einem Interview mit dieser Zeitung sagte er einmal: «Wie ich zu diesem Image kam, lag zu 50 Prozent an dem, was ich wirklich bin, und zu 50 Prozent an dem, was ich absichtlich dazu beigetragen habe.»
Zweimal ist er der beste Abfahrer, gewinnt im Weltcup zehn Rennen. 1978, zehn Jahre nach seinem Weltcupdebüt, tritt er zurück, wird danach mit seinem Engagement bei Subaru zur Schweizer Werbeikone und später zu dem Mann, der Dutzende Abfahrtspisten für Weltcup, WM und Olympia designt. Auch als 74-Jähriger lebt er noch ein Leben in der Öffentlichkeit wie nur wenige ehemalige Sportler, etwa als Kolumnist beim «Blick».
Paul Accola
Der Winter 1991/92 ist derjenige des kauzigen Davosers. Er gewinnt sieben Rennen, vor dem legendären Alberto Tomba den Gesamtweltcup sowie die kleinen Kugeln für den Sieg in der Super-G- und Kombinationswertung, stellt mit 1699 Punkten die bis heute viertbeste Marke auf. Danach bleibt er fünf Jahre ohne auch nur einen Podestplatz, er kämpft mit Verletzungen und verliert Energie auf Nebenschauplätzen. Accola legt sich mit der Verbandsspitze und Trainern an, fordert Rücktritte und sammelt Bussen. An den Olympischen Spielen in Albertville zeigt er der Jury aus Wut über die miserablen Pistenverhältnisse den Stinkefinger.
Vier Kombinationsmedaillen gewinnt Accola an Grossanlässen, 2005 fährt er sein letztes Rennen, wobei er bis heute offiziell nicht zurückgetreten ist. Der 55-jährige Baggerunternehmer, der mit einem Menzi Muck einst gar bei «Wetten, dass..?» auftrat, unterstützt mit seiner Stiftung den Bündner Sportnachwuchs.
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